Joachim Mast

Joachim Mast

* 03.01.1960
† 06.02.2019 in Heilbronn
Erstellt von Gabriele Mast
Angelegt am 16.02.2019
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Über den Trauerfall (2)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Joachim Mast, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

11.04.2019 um 21:15 Uhr von Gabriele
Foto 1 für Joachim Mast

Abschiedsrede geschrieben und gesprochen von Jan Bergmann

11.04.2019 um 21:13 Uhr von Gabriele

Abschiedsrede für Joachim Mast am 22.2.2019 in Heilbronn

 

Liebe Gabi, liebe Leonie, liebe Verwandte, liebe Freunde und Wegbegleiter.

Joachim, vielen bekannt als Jimmy, verstarb am 6. Februar im Alter von 59 Jahren nach kurzer Krankheit.

Er ging zu früh, denken wir, die wir ihn und sein Wesen so schmerzhaft vermissen.

Doch einer wie Jimmy sah und lebte das wohlmöglich ganz anders, mehr nach dem Motto:
Es kommt nicht darauf an dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben!

Gemäß diesem Sinnspruch will ich bewusst sagen: ich freue mich zum Abschied und zu Ehren Joachims hier sprechen zu dürfen. Wo immer Du auch gerade bist, Joachim, wir hoffen, Du hast Deine Freude an unserer Gemeinschaft heute, an unserer ehrlichen Anteilnahme, an unserer Haltung dem Leben gegenüber!

Wir wollen Dir nacheifern und dem Tag heute so viel unerschrockenes Er-Leben schenken, wie nur möglich!

Joachims Frau Gabi, meine langjährige und hochgeachtete Yogaschülerin kam vor einigen Tagen auf mich zu, und bat mich um ein Geleitwort. Liebe Gabi, ich danke Dir! Ich freue mich über das Vertrauen, dass Du mir mit dieser Aufgabe entgegengebracht hast.

Andererseits hatte ich großen Respekt vor dieser Rede, denn Dich, lieber Jimmy, habe ich nie kennenlernen können! Was kann, darf ich so gesehen überhaupt über Dich sagen?

Es waren Deine Schilderungen, liebe Gabi, die mich Joachim näherbrachten, die mir halfen, ihn zu sehen. Eure Liebe muss innig gewesen sein … anders wäre dieses Kunststück nie gelungen.

Wie können wir uns Joachim nähern? Wie können wir ihn uns vorstellen?

Musik ist die Antwort! Wer Jimmy kennenlernen möchte, der nähert sich ihm am besten … über seine Plattensammlung. Das ist die Spur, die direkt in sein Herz führt.

Musik

Eben hörten wir Restless von New Order, einer, von Joachims Lieblingssongs.

Zwei Zeilen daraus lauten:

Ein Geschmack von Liebe,
so süß, so echt, dass man nicht mehr loslassen kann.

Von einer Liebe ist hier die Rede, die für die meisten von uns momentan vor allem Schmerz bedeutet, ein Schmerz, der gerade immer wieder in uns auflodert und ganz und gar Besitz von uns ergreifen möchte.

Aber: hier und jetzt möchten wir uns diesen Gefühlen des Kummers und der Trauer öffnen, ihnen Raum geben, um damit noch einmal in enge Verbindung mit Joachim zu treten.

Lasst uns gemeinsam zurückdenken an die Zeit, die wir hier auf der Erde mit Joachim hatten und lasst uns ihm damit einen würdigen Platz in unser aller Herzen geben. 

Am 03.01.1960 kam Joachim, geboren als Sohn von Loni und Paul in Heilbronn zur Welt. Seine Eltern und Leonie, seine große Schwester, haben ihn liebevoll im Leben empfangen.

Wohlbehütet wuchs er in dieser vertrauten Umgebung auf. Das Verhältnis zwischen Leonie und Joachim war besonders innig. Sie kümmerte sich um ihren Bruder und er hörte auf ihren Rat.

Im Alter von 20 Jahren lernte Joachim bereits Gabi über eine gemeinsame Freundin kennen und so entstand früh eine Freundschaft in der sie immer wieder zusammen etwas unternahmen, auch wenn noch einige Jahren vergehen sollten, bis aus Freunden ein Paar wurde.

Joachim absolvierte anfänglich im elterlichen Betrieb eine Lehre als Lackierer und Maler, merkte aber bald, dass sein Weg ihn nicht weiter durch den Betrieb seiner Eltern führen würde.

Mit seinem Interesse an Musik, an Kunst und Kultur, das war ihm recht schnell klar, hätte er nur schwer ein auskömmliches Leben schaffen können. Aus diesem Grund entschied er sich für ein bodenständiges Studium, wurde Bauingenieur und machte sich auf nach Berlin, um fern seiner Heimat neue Wurzeln zu schlagen.

Eingelebt und wohlgefühlt hat er sich dort schnell. Ganz den Rücken kehrte er der heimischen Kultur jedoch nie zu. Vor allem den schwäbischen Dialekt, für ihn mehr eigenständige Sprache, kultivierte er auch an der Hochschule fein weiter. Wer weiß, vielleicht geht ja der Hauptstadt-Zwist um „Weckle“ oder „Schrippen“ am Ende noch auf Joachim zurück?!

Die Jahre des Umbruchs und Aufbruchs rund um die Zeit des Mauerfalls erlebte Joachim mit großem Interesse. Gemeinsam mit Robert, seinem besten Freund aus jenen Tagen, entdeckte er die kulturelle Vielseitigkeit der Hauptstadt, politisch, vor allem aber musikalisch. Hier hatte er wohl die für ihn prägendste Zeit erlebt.

In dieser Stadt konnte er zudem seine Liebe zur Architektur ausleben. Besonders die Berliner S-Bahn hatte es ihm angetan. Er liebte die vielen verwinkelten Ecken in diesem endlosen Schienengewirr, die exotischen Menschen, die musikalische Vielfalt einer vitalen Metropole; all das waren Impulse, die Joachim zutiefst beeindruckten, die er genoss.

Worum geht es im Leben, wenn nicht darum, jeden Augenblick ganz auszukosten und bewusst wahrzunehmen? Joachim schien das oft genau so gelebt zu haben.

Liebe Gabi, liebe Verwandte, liebe Wegbegleiter. Diese freudige Hingabe dem Leben gegenüber, dieses bewusste Suchen nach Schönheit, die in unserer schnelllebigen Zeit oftmals unentdeckt bleibt, der Mut, einen Weg jenseits der Hauptrouten zu wagen, das ist es, was Joachim auszeichnete. In unseren Erinnerungen erscheint er rückblickend wie ein Fragen stellendes Denk-mal, das uns zu mehr Eigenleben anregt.

2 Minuten Musik

Nach 13 wundervollen Jahren verließ er schließlich sein geliebtes Berlin. Er machte sich auf den Weg, zurück in seine alte Heimat, um bei seiner Familie zu sein.

Da seine Mutter verstorben war, wollte er von nun an mehr Zeit mit seinem Vater verbringen. Frei von Erwartungen begann er diesen neuen Lebensabschnitt. 

Es dauert nicht lange, und er verbrachte mehr Zeit als gewöhnlich mit Gabi. Diesmal ging es recht schnell, bis erneut die Funken flogen und die beiden sich nun endlich füreinander entschieden.

Für einander bestimmt und gemacht, gaben sie sich das Ja-Wort, heirateten und verbrachten Joachims ganze weitere Lebenszeit, wundervolle 20 Jahre, glücklich miteinander.

Das Aufflammen dieser Liebe, innig und vertraut, beheimatete eine gegenseitige und lebenslange Wertschätzung, die zur Kraftquelle und zum Rückzugsort für das Paar wird.

Das Geheimnis ihres Glücks? Joachim war Zeit seines Lebens aufgeschlossen gegenüber Gabis Leidenschaften und ließ ihr jeden Raum, den sie benötigte. Gelebte Spiritualität in Yoga, Modedesign, Kunst; er nahm Gabis Impulse vertrauensvoll auf und er übertrug das Gesagte in seine Welt, verwandelte es in seine ganz eigenen Worte.

Und Gabi tat es ihm gleich, lauschte und hielt die Ohren ein Leben lang offen. In dieser Haltung profitierten beide von der Weltsicht des anderen.

Eine Betreuerin, … die Gabi und Joachim in den letzten Krankenhauswochen kennengelernt haben, beschrieb die beiden auf eine Weise, die mich sehr berührt hat. Joachim und Gabi, so die Frau, haben ein Urvertrauen, eine Innigkeit, die nicht alltäglich ist. Eine Verbindung, die erahnen lässt, was wahrhafte Liebe ist.

Das Wunderbarste für Joachim war jedoch: er konnte mit Gabi seine Liebe zum Vinyl ausleben. Auf der Jagd nach seltenen Aufnahmen durchforsteten sie die Berliner Szene und erkundeten dabei selbst kleinste Schallplattenläden, in den hintersten Hinterhöfen.

Joachim, Gabi und diese Stadt, sie waren dicke Freunde!

Heiko, ein Heilbronner Plattenladenbesitzer und enger Freund, berichtete, wie ihn Joachim immer wieder mit seiner Liebe zur Musik ansteckte, bereicherte und prägte. Der Austausch über Interpreten jenseits des Mainstreams und deren musikalisches Schaffen, das Schürfen in verloren geglaubten tonalen Fragmenten und immer wieder diese unglaubliche Begeisterung Joachims, seine nie versiegende Frische selbst bei langen Musik-Sessions.

Zeit zu nehmen für die Dinge, für die wir brennen, das war ihm wichtig, das beseelte ihn! …

Gabis Sohn Julian und Joachim verband eine tiefe Freundschaft. Sie tauschten sich rege über Politik, Fußball und – natürlich – Musik aus. Beide stärkten sich wohl auch in tiefer Bewunderung füreinander in ihrem Mann-Sein.

Heute, mehr denn je, empfindet Julian es als Geschenk, Joachim als männlichen Wegbegleiter an seiner Seite gehabt zu haben. Wenn Julian Gabi in dieser schweren Zeit hält, dann zeigt das deutlich, wie großartig Joachims Beitrag im Leben seines Umfeldes gewesen sein muss!

Wie schon erwähnt, war Joachims Beziehung zu seiner großen Schwester Leonie sehr innig. Sie erlebte sein erstes Weinen und bemühte sich ihn stets zum Lachen zu bringen. Was ich über ihre Fürsorglichkeit erfahren habe, berührte mich sehr. Ich kann nur erahnen, wie stark die Liebe zwischen den Geschwistern gewesen sein muss und wie groß die Lücke nun ist.

Ganze 59 Jahre hat Leonie Joachim begleitet, mal war sie ihm näher, mal weiter von ihm entfernt – geliebt, von tiefstem Herzen, hat sie ihn immer.

Auch bei Leonis Mann Hartmut und den Neffen Ralf, Patrick und Philipp war Joachim mit seiner aufgeschlossenen Art beliebt und ein immer gern gesehener Gast. …

Seiner Arbeit als Bauingenieur ist Joachim mit Leidenschaft und viel Herzblut nachgegangen. Manchmal arbeitete er aus Sicht seines Umfeldes zu viel. Er konnte wohl nicht anders, weil er seinen Beruf als Berufung verstand und ihn deshalb mit ganzem Herzen machen musste.

Verwundert es da, dass er im Betrieb wie ein Familienmitglied angesehen wurde, dass er unter Kollegen wegen seines Einsatzes beliebt und respektiert war?

Sein Chef, Horst Schmiech, kannte ihn von klein auf und auch die Juniorchefs Daniel und Oliver wussten, was sie an Joachim hatten. Joachim hinterlässt eine Lücke, die sich nicht leicht schließen lässt. …

Die Trauer, die Ihr, Gabi, Leoni, Julian, Hartmut, Ralf, Patrick und Philipp und wir, liebe Freunde erfahren, ist groß. Betrachten wir Joachims Hiersein in den vielen bunten Anekdoten seines Weges, den liebevollen Gedanken seiner Freunde und Verwandten, dann können, nein, dann müssen wir aber schlussfolgern: die Freude an seinem Nachwirken, seinem Bei-uns-sein wiegt stärker als der Tod … sie könnte uns allen Hoffnung machen!

Wir selbst können nun entscheiden. ..

Ob wir Joachim jetzt mit dem Tod verlieren, oder ob wir ihn bei uns behalten können, hängt einzig von unserer Haltung zum Leben ab, von der Frage, ob es Hoffnung nach dem Tod geben kann, in irgendeiner Form.

Seine Offenheit gegenüber Unbekanntem, seine Hingabe an das Formenspiel des Lebens als einzige Konstante im Leben, seine Sichtweisen, seine Haltung, all das könnte wie ein lebendig nachwirkender Ratschlag jenseits des Todes sein, der uns in verfahrenen Situationen neue Hoffnung gibt.

Halten wir inne und schauen in uns. Was flüstert da? Stimmen des Erlebten. Hier lacht einer, dort spricht jemand und am Ende … wird uns Hilfe zuteil, wie ein machtvoller Handreich aus unbekannten Gefilden!

Es ist die Liebe für die im Lärm unserer Zeit stets untergehenden Kleinigkeiten, die leisen Stimmen, die das Leben lebenswert und wertvoll machen.

Ruhe: 1 Minute, dann Gedicht:

Je länger du dort bist,
Um so mehr bist du hier,
Je weiter du fort bist,
Um so näher bei mir.

Du wirst mir notwendiger,
Als das tägliche Brot ist, –
Du wirst lebendiger,
Je länger du tot bist.

 

2 Minuten Musik

Trotz der Tatsache, dass Joachim über die letzten Jahre durch Gabi zu einer Art Undercover-Spirituellem wurde, hat der Tod für ihn nicht zum Leben gehört. Von der tragischen Diagnose vor Weihnachten eines Besseren belehrt, versuchte er in den letzten Wochen seines Lebens jedoch tiefer zu blicken.

In der Rückschau betrachtet, erkennen wir an diesem Scheidepunkt deutlich, dass er wohl von dem tiefen Wunsch beseelt wurde, den Rest seiner Tage so bewusst wie nur möglich zu leben, also frei nach Martin Luther:

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen!

Gabis Wunsch war es Joachims letzte eindringliche Erfahrungen mit uns zu teilen. Diese waren: Begegnung und Hingabe

 

Wenn das Ende gekommen ist, dann treten uns die markanten Begegnungen unseres Lebens fragend entgegen. Deshalb: begegnet euch, seht euch!

Wenn wir uns nicht einander zuwenden, nicht füreinander da sind, uns nicht offenen Herzens, begegnen, verständnisvoll für das Sosein des Nächsten, dann bleibt am Ende des Weges nur Bitterkeit.

Wäre Joachim hier, so hätte er uns jetzt vor allem gewünscht, dass wir die Zeit mit den uns umgebenden Menschen wahrhaftig verbringen. Wie weit wird das Denken doch, wenn man sich voll Hingabe auf die Dinge konzentriert, die uns wirklich wichtig sind.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Lasst uns Joachims Erkenntnisse in unser Herzen pflanzen, so dass sie uns jenseits einer Hoffnung, die wir uns heute meist nicht mehr vorstellen wollen, Früchte trägt.

In einem passenden Beitrag zur Musikliebhaberei aus einer Zeitung hieß es letztens
Ab 30 entdeckt man kaum noch neue Lieblingsmusik. Man hört nur noch die Songs in denen man sich einst verliebt oder betrunken hat.“

Der Autor wollte dies nicht so hinnehmen und Joachim hätte dies ganz gewiss so auch nicht hingenommen.

Sie sind nicht tot, die in unseren Herzen leben!